Brandanschläge auf Deutsche Bahn

Hamburg/Berlin 23 November 2009













Folgendes Schreiben wurde uns zugeschickt:

"Es ist November und kein Castortransport rollt durch die Republik. Doch die Gewinne der Atommafia rollen weiter. Deshalb haben wir bundesweit in der Nacht vom 22. November Unternehmen angegriffen, die das ganze Jahr über von der Entwicklung und Unterstützung der Atomtechnologie profitieren. Wir wählen den Zeitpunkt und die rte, um ihre Firmenpolitik zu sabotieren.

Die Deutsche Bahn transportiert für die Atomunternehmen nicht nur Castoren. Über ihr Tochterunternehmen NCS (Nuclear Cargo Service) fährt sie auch Urantransporte durch die Gegend, besonders von Gronau nach Russland. Dort wird der Atommüll angeblich angereichert und fällt damit unter "Wiederverwertung" statt Müllentsorgung. Ein billiger Trick, um die verbotende Verklappung von Atommüll zu umgehen. Ein fetter Gewinn für die beteiligten Unternehmen, auch für die Deutsche Bahn, die sich hierfür gut bezahlen lässt.

Eine Millionen Euro Gewinn machen die Stromkonzerne am Tag pro Kraftwerk. Ein profitables Geschäft - nicht nur für die Atommafia selbst, auch die Zulieferer, Transportunternehmen und Wartungsfirmen (oftmals ihre eigenen Tochterunternehmen) machen mit dem alltäglichen Atomwahnsinn fette Beute. Sie streichen die Gewinne ein und überlassen die Kosten und das Risiko der Gesellschaft. Dabei gibt es bereits Alternativen in der Praxis. So organisieren die Menschen in Schönau ihre Strompolitik selbst, belassen die Entscheidungen darüber in kommunaler Hand und setzen auf Alternative Energien.

Statt solche Entwicklungen zu unterstützen, setzt die neue deutsche Regierung auf alte Konzepte. Sie ignoriert dabei nicht nur bestehende Alternativen, sondern auch die Haltung der Bevölkerung gegen Atomkraft: 2/3 der Menschen hier lehnen Atomkraft ab, 50.000 Menschen waren kurz vor der Bundestagswahl in Berlin auf den Straßen. Die Proteste gehen weiter. Direkte Sabotage der Profiteure ist für uns Teil dieses Widerstandes und antikapitalistische Praxis.

Zwar hatte die Atomlobby nach der Bundestagswahl bereits die Champagnerkorken knallen lassen, denn ihre Aktienkurse schnellten sofort in die Höhe, der Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung zeigt jedoch, dass sie bereit ist, die Laufzeiten deutscher Atommeiler zu verlängern und weiterhin Unternehmen gefördert werden, die Atomtechnologie zum Exportschlager machen sollen. Gleichzeitig wurde das Moratorium für Gorleben als Endlager aufgehoben. Aus dem angekündigten
Morgenrot für die Atomenergie ist ein strahlender Sommertag geworden. Wir werden ihren Machenschaften jedoch weiterhin nicht tatenlos zusehen.

In diesem Sinne hoffen wir auf breiten Widerstand gegen den Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen. Auch dort werden die Lobbyisten der Atomenergie an den Tischen sitzen und in den Fluren rumgammeln, um zu erreichen, dass sie als Teil des Energiemixes der Zukunft weiter Gewinne machen können. Atomenergie kann niemals Teil der Lösung sein, sie ist Teil des Problems. Lasst uns in Kopenhagen nicht nur über Klimawandel reden, sondern in erster Linie über Kapitalismus. Da kann die Atomlobby noch so viele Kühe und grüne Wiesen in ihre Werbung packen. Sie lügen. Atomkraft ist nicht CO2-neutral. Auch hier wird wieder mit echt billigen Tricks gearbeitet: Die Gewinnung und Anreicherung von Uran, die Erzeugung der Brennstäbe, der Transport, der Bau eines Atomkraftwerkes - all das wird aus der angeblich so erfolgreichen CO2-Bilanz einfach herausgerechnet. Auch der spätere Abriss und die Lagerung der Brennstäbe zählen in der Bilanz nicht. Wie gesagt, ein billiger Treick, dennoch werden sie in Kopenhagen mit an den Tischen sitzen. Ein Wandel in der Klimapolitik wird von den Beteiligten nur über Profitmaximierung durchgeführt, denn auch Klimawandel muss sich im Kapitalismus rentieren. Dabei müssten - wenn das Verursacherprinzip
gelten würde - die kapitalistischen Industriestaaten eher draufzahlen, um die Leidtragenden im Süden zu entschädigen.

Im November 2008 wurden nach Sabotageakten an Bahnanlagen in Deutschland und Frankreich GenossInnen aus Frankreich festgenommen. Eine krasse Repressionswelle, unterlegt mit einem lächerlichen Konstrukt einer autonom-anarchistischen terroristischen Vereinigung, rollt seitdem durch das Land. Wie Deutschland jetzt wieder, setzt auch Frankreich unbeirrt auf Atomkraft, ein schönes Thema für die deutsch-französische Freundschaft. Wir schicken den GenossInnen solidarische Grüße
und wünschen Ihnen Kraft für die Prozesse. Solidarität heißt für uns auch, die gemeinsamen Ideen und Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.

Sebastian - du bist nicht vergessen!

Bewegte Autonome"


Presse:
Brandstifter haben in der Nacht zu Montag in Berlin und Hamburg insgesamt zehn Fahrzeuge der Bahn angezündet. In Lichtenberg steckten die Unbekannten am Nöldnerplatz vier Fahrzeuge der DB in Brand, die Flammen griffen auf ein weiteres Auto über. Anwohner hatten gegen 2.40 Uhr die Feuerwehr alarmiert. Im Hamburger Stadtteil Altona brannten nahezu zeitgleich um 2.40 Uhr ebenfalls fünf Firmenwagen der Bahn aus, ein sechstes Auto wurde beschädigt. Ein Bekennerschreiben zu den beiden offenbar koordinierten Anschlägen wurde bislang nicht bekannt.

In den vergangenen Monaten waren vor allem die Bahn und die Post Ziele von politisch motivierten Brandanschlägen geworden. Die Bahn ist unter Linksextremisten als Atommüll-Transporteur verhasst, die Post-Tochter DHL wegen ihrer Bewerbung für die Logistik der Bundeswehr. Die linke Szene nennt DHL mittlerweile „Deutsche Heeres-Logistik“. In Berlin und Hamburg standen die Wagen auf Grundstücken der Bahn, diese waren aber öffentlich zugänglich. In Hamburg platzten durch die Hitzeentwicklung die Fenster eines benachbarten Gebäudes.

In unmittelbarer Nähe des Nöldnerplatzes brannte gestern Nacht außerdem ein BMW-Geländewagen. Die Ermittler gehen davon aus, dass für diesen Anschlag 20 Minuten nach der Tat am Nöldnerplatz dieselben Brandstifter verantwortlich sind. In Berlin sind damit in diesem Jahr bei 133 Anschlägen bereits 200 Fahrzeuge angezündet worden, 67 weitere, daneben stehende Wagen wurden beschädigt – soviel wie niemals zuvor. Ähnlich brisant wie in Berlin ist die Situation nur noch in Hamburg. In diesem Jahr seien bereits 150 Fahrzeuge in Brand gesteckt worden, hatte vor wenigen Tagen der Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, Heino Vahldieck, in Berlin gesagt. Wie berichtet, hatte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) Vahldieck zu dem Kongress „Linke Gewalt“ eingeladen. Vahldieck berichtete dort, dass nur etwa 20 Anschläge als politisch motiviert gewertet werden. Dass Hamburg offiziell weit weniger politische Taten verzeichnet, liegt nur daran, dass anders gezählt wird. In Hamburg muss ein Bekennerschreiben vorliegen oder bestimmte Firmenwagen müssen betroffen sein, damit die Tat als politisch motiviert gilt. In Berlin dagegen wird zunächst jede Tat, die politische Hintergründe haben könnte, als solche gezählt. Allerdings sind sich die Berliner Ermittler darüber im klaren, dass mittlerweile viele Taten von Nachahmern verübt worden – oder von den Eigentümern als Versicherungsbetrug.
Quelle: Tagesspiegel

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