Kriegerintellektuelle ausgesperrt

Berlin 1. September 2008

Heute am Antikriegstag (1.September 2008) haben AntimilitaristInnen die Eingangstüren des zentralen DGB-Gebäudes in Berlin mit Kette, Schlössern und Transparenten dicht gemacht. Unter der Parole „Keine Diskussion mit Kriegerintellektuellen und Kriegstreibern - Governance ist Krieg“ wurde der Zugang zu einer Veranstaltung versperrt.

„Der Einsatz von Militär kann keine Lösung sein!“ postuliert der DGB Berlin-Brandenburg zum Weltfriedenstag, um gleichzeitg im nächsten Schritt Kriegstreibern ein Forum zu bieten: Afghanistan-Referatsleiter Rüdiger König vom Auswärtigen Amt und Jan Koehler vom Sonderforschungsbereich (SFB) 700, FU Berlin, dürfen in der DBG-Zentrale neue Ideen intensivierter Kriegsführung gegen die afghanische Bevölkerung darlegen. Nicht „Stop dem Krieg“, sondern „Wie wird dieser effektiviert?“ war als Thema des Abends vorgesehen.
Im Schutz des Scheins wissenschaftlicher Objektivität und Neutralität werden Krieg und Beherrschbarkeit (Governance) intensiviert. SFB 700 angreifen! Durch die engere, effektiviere Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Militär und sozialen Organisationen soll kapitalistische und patriarchale Herrschaft weltweit durchgesetzt und trotz Widersprüchen kontrollierbar gemacht werden. Keine Diskussion mit Warrior-Intellectuals!

Keine Diskussion mit Kriegerintellektuellen!
Governance ist Krieg. Die Warrior-Intellectuals vom SFB 700 stoppen.

Es gibt nichts zu diskutieren, weder mit den Warrior-Intellectuals vom SFB 700 noch mit den Kriegsbetreibern vom Auswärtigen Amt. Es braucht jedoch eine kritische Diskussion über die neue Offensivausrichtung der Bundeswehr auf globale militärische Interventionen und über die Zusammenarbeit zwischen Militär und Sozialforschern für die soziale und kulturelle Durchdringung in den Interventionsgebieten. Und es braucht Widerstand dagegen.
Der Sonderforschungsbereich 700 trägt den Titel „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ und ist ein Kooperationsprojekt der FU Berlin mit der Uni Potsdam, dem Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), der Hertie School of Governance sowie dem European University Institute Florenz, finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Ihr Forschungsgebiet ist nach eigenen Angaben zwei Drittel der Welt. Ihre Frage ist wie Regierbarkeit – Ruhe und Ordnung, Sicherheit für Investitionen, Handel und Ressourcenzugriff – hergestellt werden kann unter Bedingungen unzureichender oder unzuverlässiger Staatlichkeit. Es geht um Wissen für die Weltbeherrschung: Kapitalinteressen, westliche Werte und patriarchale Herrschaft soll bis in die letzten Ecken des Globus und bis in die Tiefen der sozialen Gefüge durch den „Soldat als Sozialarbeiter“ und Sozial-arbeiter und -forscher in Militär-Strategien durchgesetzt werden. Die Wissenschaftler arbeiten der Bundeswehr zu. Unter dem Deckmantel vermeintlicher Neutralität der Wissenschaft wird militarisiertes Governance verfeinert und legitimiert.

Unternehmerische, politische und militärische Logiken werden verbunden. Dabei wird der Warlord zum Vorbild des Staatlichkeitsunternehmers. Genauso kritiklos knüpft der SFB 700 an die Erfahrungen des Kolonialismus an, um diese in modernisierter Form heute umzusetzen. Kolonialunternehmen wie den Ostindischen Handelskampagnien, die eine Doppelrolle als Geschäfts-unternehmen und Staatsmacht ausübten, werden zu Vorbildern. Wirtschaftsunternehmen bekommen wieder Aufgaben der Herstellung einer Ordnung in Nachkriegsgesellschaften - heute unter dem Namen „Corporate Security Responsibility“. Krieg ist nicht nur eine wirtschaftlich attraktive Unternehmung, sondern auch eine Voraussetzung für die unternehmerische Durchdringung sogenannter blockierter Gesellschaften.

Sicherheitspolitik und Entwicklungshilfe werden miteinander verknüpft, Entwicklungs-NGOs werden in zivil-militärische Kriegs- und Governanceprojekte eingebunden, Entwicklungshilfe-Etats werden für militärische Projekte verwendet. Hilfegelder und -personal werden für das politisch-militärische Ziel funktionalisiert und folgerichtig stellen auch die SFB 700-Forscher fest, dass Entwicklungshilfe einen positiven Einfluss auf die Haltung der Bevölkerung gegenüber den Besatzungstruppen bewirkt. Im Vordergrund stehen die Sicherheit und die Legitimation des zivil-militärischen Interventionsprojektes und nicht die Wünsche und Bedürfnissse der Menschen. Die SFB-Studie, die in der deutschen Besatzungszone im Norden Afghanistans durchgeführt wurde, dient letztendlich dazu eine zustimmende Haltung in der Bevölkerung zum Bundeswehreinsatz herzustellen – in Afghanistan und auch hier in der BRD. Die Erhebung der Einstellungen der Menschen, ihrer sozialen und kulturellen Eigenheiten und der möglichen Widersprüche ermöglicht eine Verfeinerung der militärischen und wirtschaftlichen Durchdringung. Mit der Studie und der entsprechenden PR-Arbeit wird die militärische Intervention legitimiert, da „die Afghanen“ ihre Sicherheit durch den Einsatz verbessert sehen würden. Letztendlich geht es um den materiellen und sozialen Zugriff und die neokoloniale Kontrolle der Bevölkerung durch neue Methoden des Regierens.

Bei begrenzter Staatlichkeit wie in Afghanistan ist laut SFB 700 ein offenes Einbeziehen möglicher Regelungsformen orientiert am Governance Konzept in Kooperation privater und staatlicher Akteure nötig. Das schließt internationales Militär, internationale Institutionen wie z.B. die WTO, internationale und lokale NGOs, transnationale Wirtschaftsunternehmen, Warlords und andere lokale Machthaber mit ein. Und damit diese zivil-militärische und öffentlich-private Kooperation besser funktioniert und Legitimation erhält wird weiter geforscht.

Das Protektorat Afghanistan ist ein neokoloniales zivil-militärisches Interventionsprojekt. Es geht um eine neue Qualität von Kriegsführung, die scheinbar sanft vorgeht, jedoch eine enorme Aggressivität hat im tiefen Zugriff auf die Bevölkerung. Eingriffe werden feiner justiert im Interesse der Zurichtung der gesamten Welt für die kapitalistische Verwertung.

Neokoloniale Protektorate beenden. Globale Interventionskriege stoppen. Keine BW in Afghanistan und nirgendwo. BW auflösen. NATO auflösen. Für eine Welt ohne Krieg und Militär. Eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung aufbauen.

Quelle: indymedia