Baumaschine angezündet

Berlin 11. April 2008


Erklärung:

"In der vergangenen Nacht ist ein Baufahrzeug in der Dresdner Straße in Berlin-Kreuzberg in Flammen aufgegangen. Es war am Bau von Luxuswohnungen beteiligt. Die „Aktion Baustopp“ bekennt sich zu dem Sabotage-Akt und hofft auf viele NachahmerInnen. Smash Capitalism!

Seit Jahren nimmt in Berlin (wie auch sonst in der BRD) die Ungleichheit in der Gesellschaft zu, immer mehr Menschen leben in Armut. Gleichzeitig steigen die Mieten: insgesamt, aber vor allem in Gebieten der Innenstadt, die für gutverdienende Menschen als Wohn- und auch Arbeitsplatz interessant geworden sind. In manchen Bezirken haben diese Prozesse – steigende Mieten bei stagnierenden oder sinkenden Löhnen. Umwandlung in Eigentum, hohe Arbeitslosigkeit und sinkende Sozialleistungen – zum Austausch eines Großteils der Bevölkerung geführt, etwa in Prenzlauer Berg und Mitte. Die Immobilienbesitzer sind die großen Gewinner von Aufwertung und steigenden Mieten, ebenso wie Menschen mit einem guten Einkommen, die sich die schick sanierten Wohnungen etwa am Kollwitzplatz können. Menschen ohne Arbeit oder mit schlecht bezahlten Jobs, die Verlierer dieser Entwicklung, werden zunehmend aus den Innenstadtbezirken verdrängt.

Die herrschende Politik lässt diese Entwicklung zu und fördert sie sogar nach Kräften. In Zeiten der Ideologie von ausgeglichenen Haushalten und „leeren Kassen“ – infolge hoher Sozialkosten, Steuersenkungen für Reiche, idiotischer Bauprojekte und Korruptionsskandale – wird Stadtentwicklung zunehmend den privaten Investoren überlassen. Wie Deutschland internationalen im Standortwettbewerb um Investitionen konkurriert und deswegen Tariflöhne anscheinend nicht mehr gezahlt werden können, konkurrieren einzelne Städte um die Ansiedlung von Unternehmen. Das hat sich bis heute nicht geändert – obwohl der Traum Berlin, eine globale Dienstleistungsmetropole zu werden, mit dem Bankenskandal in eine Katastrophe geführt hat. Die Stadt soll schick und attraktiv gemacht werden für Unternehmen aus „zukunftsträchtigen“ Branchen wie der Medienindustrie. Dafür werden eben auch steigende Mieten und Verdrängung von Menschen mit wenig Einkommen in Kauf genommen, eine Entwicklung, die auch Gentrifizierung“ genannt wird. Die Stadt wird immer mehr zur Stadt der Konzerne, deren Interesse bestimmen, was wo wie gebaut wird, welcher Ort wie genutzt wird. Wer sich jedoch gegen höhere Mieten und Verdrängung zur Wehr setzt, gerät schnell ins Visier von Staatsschutz und Polizei oder wird gar als „Terrorist“ verfolgt.

Mit dem Versuch gezielt Unternehmen der Medienindustrie anzulocken, geht eine steigende Nachfrage relativ gutverdienende Mensch nach modernisierten und schicken Wohnungen in den friedrichhainer und kreuzberg „Szene“- Vierteln einher. Schon jetzt kommt es in den an „Media-Spree“ angrenzenden Gebieten zu einer massiven Steigerung bei den Mieten, sowohl für Gewerberäumen als auch für Wohnungen, und diese Entwicklung wird sich noch verschärfen, wenn die Pläne der Media-Spree-Strategen Wirklichkeit werden sollten. Bereits heute sind die Folgen der schon stattgefundenen massiven Privatisierung von Wohnraum deutlich erkennbar. So wurden hunderte Mietshäuser der GSW, die vorher der Stadt gehörten, an den Immobilienfon „Cerberus“ verkauft – mit drastischen Mieterhöhungen für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die kleineren Gewerbe- und Kultureinrichtungen in diesen Häusern als Folge.

Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein bis als Folge der kapitalistischen „Entwicklung“ der Spreeufer viele Bewohner der an „Media-Spree“ angrenzenden Gebiete sich die gestiegenen Mieten nicht mehr leisten können und wegziehen müssen. Frei werdende Wohnungen können sich in Zukunft nur die besser verdienenden Menschen leisten, ganz zu schweigen von den neu entstehenden Luxuswohnungen. Die PolitikerInnen in Senat und Bezirk weigern sich bislang diese Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen. So gibt es bis heute kaum Schutz gegen die steiegenden Mieten, etwa in Form von Mietobergrenzen.

Die Strategen von „Media-Spree“ verweisen darauf, dass ihr Projekt neue Arbeitsplätze schaffe und dass davon auch die AnwohnerInnen in den benachbarten Stadtteilen profitieren würden. Doch welche Jobs entstehen da für Menschen, die keinen der gut bezahlten Arbeitsplätze für kreative Akademiker abbekommen? Von den Armutslöhnen, die in den neuen Hotels und Veranstaltungshallen, in Callcentern und für den Wachschutz unterm O2-Werbeschild bezahlt werden, können die stetig steigenden Mieten schon lange nicht mehr bezahlen werden.

Wir wollen keine „Media-Spree“ und keine Luxuswohnungen für wenige. Wir wollen Spielplätze und Parks und Gärten und ein schönes Leben für alle. Wir wollen alternative Projekte und nichtkommerzielle Kultur. Wir wollen mitbestimmen, was auf den Freiflächen Berlin passiert und uns nicht die Pläne der profitorientierten Konzerne unter die Nase setzen lassen. Wir wollen billige Mieten, der Profit der Hausbesitzer interessiert uns uns nicht. Wir wollen billige und gute BVG, weniger Autos in der Stadt, und schon gar nicht eine neue Autobrücke über die Spree. Und wir brauchen ganz sicher nicht neue Billiglohn-Arbeitsplätze in den Callcentern von BASF und Quelle oder als Kartenabreisserin bei O2. Wir werden der Privatisierung öffentlicher Flächen und Gebäude niemals zustimmen – Privatisierung heißt mehr Profite auf der einen und mehr Armut auf der anderen Seite, mehr Luxus für die einen und Armutslöhne für die anderen.

MediaSpree“ versenken! Luxuswohnungen zu sozialen Zentren!

Aktion Baustopp. 11. April 2008"

Quelle: Interim